Coro San Miguel: 2008 – 2018 (Teil 1)
10 Jahre deutscher Urlauberchor im Süden Fuerteventuras
Wie alles begann:
Das Evangelische Tourismuspfarramt und die Urlauberseelsorge auf Fuerteventura bestehen in der heutigen Form seit dem Jahr 2000. Jedoch trafen sich schon viel früher Menschen am Strand, um sonntäglich Gottes Wort zu hören. Ganz bestimmt wurde bei diesen Gottesdiensten auch gesungen, jedoch gab es zur damaligen Zeit noch keinen Chor.
Als Dieter und ich uns damals entschlossen, ab 2004 die Wintermonate auf Fuerteventura zu verbringen, fanden zwar regelmäßige Gottesdienste an der Costa Calma und in Morro Jable statt, aber als langjährige Chorsängerin in Deutschland vermisste ich den regelmäßigen Ge-sang schon sehr. Da bei der Evangelischen Tourismusgemeinde kein Chor existierte, nahm ich Kontakt mit den Spaniern in Morro Jable auf in der Hoffnung, neben dem Singen in der dortigen katholischen Kirche auch die Sprache schneller lernen zu können. Wie enttäuschend war es zu erfahren, dass es in der Iglesia Nuestra Señora del Carmen zwar eine Orgel gab, jedoch niemanden, der sie spielte, geschweige denn, dass Lieder- oder Gesangbücher existierten. Wenn in den sonntäglichen Messen gesungen wurde, dann Bewährtes auswendig und manchmal mit Gitarrenbegleitung, wenn jemand mit einem Instrument zum Gottesdienst kam.
Am Heiligen Abend 2007 wendete sich das Blatt:
Der damalige Urlauberpfarrer Michael Erben sang in der Ermita San Miguel mit seiner Frau Elisabeth ein wunderbares Duett, von dem alle Gottesdienstbesucher in und – weil nicht alle Besucher in das Kirchlein passten – insbesondere vor der Ermita auf dem Kirchplatz sehr beeindruckt waren. Im Anschluss an den Gottesdienst kamen Dieter und ich mit dem Pfarrerehepaar ins Gespräch, bei dem auch mein Wunsch zu singen angesprochen wurde. Schnell stellte sich heraus, dass es in Jandía und Morro Jable bereits einige sangesfreudige Residenten, Langzeiturlauber und Touristen gab, die sich ebenfalls gerne zum regelmäßigen Singen treffen würden. So kam schnell eines zum anderen, und im Januar 2008 traf sich eine Handvoll Singbegeisterte in der Ermita San Miguel zum Singen.
Das war die Geburtsstunde des Chores.
Ohne Notenmaterial, nur mit einigen Gesangbüchern, Michael Erbens Trompete und viel Enthusiasmus fingen wir ganz bescheiden an zu singen. Michael Erben organisierte aus Deutschland per Fax das zweistimmige Lied „Herr, du bist mein Hirte“ sowie zwei recht einfache Ostersätze. Darüber hinaus wurde das Gesangbuchslied „Sanftmut den Männern, Großmut den Frauen“ in das bescheidene Repertoire aufgenommen.
Nach intensiven Chorproben konnten wir den einen oder anderen Gottesdienst und auch die Osterfeiern 2008 musikalisch mitgestalten. Und dann hieß es Abschiednehmen, denn bis auf die wenigen Residenten zog es die Überwinterer und Langzeiturlauber wieder nach Deutschland. Und auch Michael Erben beendete Ende Juni 2008 seinen Dienst auf Fuerteventura.
Es stellten sich nun die Fragen:
Was wird aus dem zarten Pflänzchen „Chor“?
Wie wird es musikalisch mit dem neuen Pfarrer im Herbst weitergehen?
Die Residenten waren im Sommer jedoch nicht untätig und hatten intensiv nach einem Chorleiter Ausschau gehalten. Viele Menschen wurden angesprochen und regelmäßig Anzeigen mit einem Cartoon „Chorleiter gesucht“ auf der Kirchenseite in der Fuerteventura-Zeitung platziert, jedoch hat sich leider niemand gefunden.
Als im Oktober 2008 die sangesfreudigen Langzeiturlauber, Touristen und wir wieder auf die Insel kamen und sich herausstellte, dass auch der neue Urlauberpfarrer Wolfgang Koschut und seine Frau Uschi der Musik sehr zugetan waren, musste dringend jemand gefunden werden. Und siehe da, es tat sich der berühmte Silberstreif am Horizont auf: Michaela Siegler, eine Langzeiturlauberin aus Flensburg, ausgebildete Opernsängerin mit einem wunderbaren lyrischen Sopran und dazu noch Musiklehrerin – sie war doch genau die Richtige für uns, oder? Es bedurfte schon einiger Überredungskunst meinerseits, sie für unsere laienhafte Sängerschar zu gewinnen. Aber diese Herausforderung nahm sie sportlich und professionell an, suchte einfaches Liedgut für den Heiligen Abend, arrangierte eine zweite Stimme dazu, und los ging es im November 2008 freitags um 17.30 Uhr in der Ermita San Miguel. Schnell sprach es sich herum, dass in Morro Jable regelmäßig gesungen wurde, und so waren wir im Dezember 2008 etwa zwei Dutzend Sängerinnen und Sänger in der wöchentlichen Chorprobe. Selbst Michaela Siegler war von der großen Resonanz freudig überrascht. Aber es sollte anders kommen. Kurz vor Weihnachten kamen immer weniger Leute zum Probennachmittag, weil die meisten Urlauber kurz vor Weihnachten wieder gen Heimat flogen, um die Feiertage mit ihren Familien zu verbringen. So hatte sich Michaela Siegler das nicht vorgestellt. Eine gewisse Enttäuschung konnte sie nicht verhehlen. Dennoch war es etwas ganz Besonderes, dass eine kleine Singgemeinschaft die Heiligabend-Gottesdienste im Restaurant „Jardín“ an der Costa Calma und in der Ermita San Miguel in Morro Jable musikalisch mitgestaltete. Dazu kam der Sologesang von Michaela Siegler – einfach wunderbar.
Doch leider stand Michaela Siegler nach den wirklich gelungenen Auftritten für den kleinen Chor nicht mehr zur Verfügung, sodass wir direkt nach Weihnachten sozusagen in der Luft hingen. Schnell waren wir uns jedoch einig, gemeinsam weiter singen zu wollen, und so verabredeten wir uns planmäßig für den nächsten Freitag wieder um 17.30 Uhr in der Ermita San Miguel. Es wurde besprochen, wie es weitergehen soll. Und dann erklärte Uschi Koschut in ihrer fröhlichen und gewinnenden Art, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt:
„Elke, den Chor leitest jetzt du.“
Und wieder standen wir ohne neues Notenmaterial und ohne Instrumente da. Aber die große Freude am gemeinsamen Singen überwog, und so probten wir die von Michael Erben im Jahr zuvor organisierten Stücke für die Gestaltung des einen oder anderen Gottesdienstes und insbesondere für das bevorstehende Osterfest. Und dann kam Uschi Koschut mit den Gottesdienstordnungen für den Weltgebetstag Anfang März 2009, in denen die Lieder des Landes Papua-Neuguinea abgedruckt waren. Das überstieg zunächst dann doch unsere Möglichkeiten, aber glücklicherweise gab es auch eine Musik-CD mit allen Liedern, sodass wir als kleine Chorschar die ersten Weltgebetstags-Gottesdienste auf Fuerteventura ausrichten konnten.
Nachdem wir im Frühjahr wieder nach Deutschland zurückgekehrt waren, hatte ich den Sommer 2009 intensiv dazu genutzt, um mich auf das nächste Winterhalbjahr vorzubereiten. Ein Notenblock wurde angeschafft, um für leicht singbare Weisen eine zweite Stimme zu notieren, z. B. „Komm, Herr, segne uns“ und „Möge die Straße uns zusammenführen“, Partituren von einfachen Kirchenliedern hatte ich umgeschrieben und meine Sopran-Blockflöte mit in den Koffer gepackt, um wenigstens die richtigen Töne angeben zu können. So gelang es uns mit Begeisterung und Engagement, im Advent, am Heiligen Abend, zum Weltgebetstag und an Ostern zu singen. Und siehe da, durch die regelmäßigen Veröffentlichungen in der Fuerteventura-Zeitung, Abkündigungen in den sonntäglichen Gottesdiensten und insbesondere durch die Mundpropaganda wurde der Chor immer größer. Und so wuchs der Wunsch, anspruchsvollere drei- und vielleicht sogar vierstimmige Stücke einzustudieren und zu Gehör zu bringen.
Fortan brachte ich jeden Herbst kiloweise Notenmaterial für alle Gelegenheiten von Deutschland hierher. Und auch ein inzwischen angeschafftes kleines Keyboard erwies sich für die Chorproben als sehr nützlich. Inzwischen haben wir in der Ermita San Miguel ein großes elektronisches Piano und verfügen über ein umfangreiches Repertoire an Musiknoten. So entwickelte sich die Singgemeinschaft, die sich schon seit längerem „Coro San Miguel“ nennt, im Laufe der Jahre zu dem, was sie heute ist, einem festen Bestandteil der Evangelischen Touristengemeinde auf Fuerteventura. Welch eine Freude, in jedem Herbst dieselben Sängerinnen und Sänger im Chor wieder zu treffen und neue sangesfreudige Langzeiturlauber und Touristen begrüßen zu können. Mittlerweile gibt es einige Menschen, die ihre Urlaube zeitlich danach einrichten, wann der Chor seine Auftritte hat, damit sie nicht nur mitproben, sondern auch in den Gottesdiensten mitsingen können. Und dann die engagierten Chorsänger aus Deutschland, die von ihren Heimatchören interessante Partituren und neue Ideen mitbringen. Es ist wunderbar, welch tolle Gemeinschaft sich im Laufe der Jahre entwickelt hat und auch wie viele Freundschaften entstanden sind.
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